„Wir brauchen das Feuer nicht in den Wäldern, sondern in unseren Herzen“ - Eine Vortragsreihe über den Klimawandel am Otto-Hahn-Gymnasium Böblingen im Schuljahr 2019/2020

Der Klimawandel und dessen Auswirkungen sind in vielen Schulstunden das Thema Nummer 1. Aus diesem Grund gründeten im vergangenen Jahr einige Schüler und Schülerinnen des Otto-Hahn-Gymnasiums in Böblingen die OHG-for-Future AG, die auch im Schulalltag aufzeigt, wo und wann sich jeder Einzelne gegen den fortschreitenden Klimawandel einbringen kann. Auf Initiative der AG und dem Lehrer Herrn Haslers fand am 04. Februar 2020 eine Vortragsreihe für die Oberstufe des Otto-Hahn-Gymnasiums statt. Eingeladen waren die Künstlerin Bettina Baier, Dr. Ludwig Braun von der Bayrischen Akademie der Wissenschaften und Prof. Dr. Anke Jentsch von der Universität Bayreuth, um von ihren Arbeiten zu berichten.

Klimafeuerwehr 16 9

Eingeleitet wurde die Vortragsreihe von Herrn Hasler, der die Referenten bereits kannte und daher kurz vorstellte. Daraufhin folgte ein Vortrag der Künstlerin Bettina Baier. Sie begleitete bereits in der Vergangenheit zahlreiche Projekte auf der ganzen Welt und möchte mit ihrer Kunst auf die verschiedenen Einflüsse des Menschen auf die Natur aufmerksam machen. Ihr ist es wichtig, die Natur mit ihrer Arbeit dabei selbst nicht zu zerstören oder ihr etwas wegzunehmen; im Gegenteil: Sie will die aktuelle Situation festhalten, um sie für die Nachwelt zu dokumentieren. In ihren Projekten nahm sie stets ein Stück des Bodens mit, der durch unterschiedliche Einflüsse verändert wurde. Dazu legte sie stets ihren roten Rahmen auf den Boden und nahm mit Gips einen Abdruck von einem Quadratmeter Erdfläche. Begleitet wurden diese Abnahmen durch eine Fotodokumentation, bei der sie neben der Erdoberfläche auch die umliegende Landschaft aufnahm, um ein größeres Gesamtbild zu erzeugen. Die fertigen Exponate, die Frau Baier als „Erdschollen“ bezeichnet, werden anschließend in zahlreichen Städten auf der ganzen Welt ausgestellt.

Den Namen „Erdscholle“ hat Frau Baier dabei bewusst gewählt: "Der Name "Erdscholle" hat eine Geschichte. Geologisch ist es eine Erdoberfläche, aber es war auch ein rechtlicher Begriff, weil Menschen dort vertrieben worden sind. Jetzt nenne ich die Erdscholle auch teilweise Bürgerscholle, wenn es direkt mit Menschen im Zusammenhang steht, wie zum Beispiel bei Stuttgart 21“. In der Zukunft hat sie vor, noch einmal in das Amazonasgebiet zu fliegen, ebenso wie einige Inseln, die vom Klimawandel betroffen sind.

Um den Klimawandel genau dokumentieren zu können, reiste Frau Baier häufig zu den gleichen Orten und arbeitete teilweise über mehrere Jahre hinweg an einer Erdscholle. Häufig dokumentierte sie damit den Eingriff des Menschen in die Natur über einen längeren Zeitraum, wie er beispielsweise beim Bau eines Damms, Stauseen, Messegelände, Flutungen oder auch bei Stuttgart 21 vorliegt. In ihrem Vortrag zeigte Frau Baier zahlreiche Fotos der Landschaften ihrer Projekte und ging insbesondere auf die Eingriffe des Menschen ein, die diese Landschaften stark beeinflussen werden. In letzterer Zeit legte sie ihren Fokus auf die Dokumentation des Einflusses des Klimawandels. Der Amazonas, der durch die „grüne Lunge der Erde“ fließt, wird durch Staudämme stark beeinträchtigt, sodass die Bäume weniger Wasser erhalten. Um in der Wildnis ihre Geräte mit sich führen zu können, hat Frau Baier einen speziellen Handwagen, bestehend aus einem alten Fahrrad, mit dem sie ihre Rahmen transportiert. Damit sich die Schülerinnen und Schüler einen genaueren Eindruck von der Arbeit machen konnten, hatten sie am Ende des Vortrags die Möglichkeit, Frau Baiers Handwagen aus der Nähe zu betrachten. Mit ihrem Appell an die Schüler, das Feuer in in ihrem Herzen zu tragen, anstatt in den Wäldern zu beobachten, beendete sie ihren Vortrag.

Im Anschluss erzählte Dr. Ludwig Braun, der vor seiner Pension an der Bayrischen Akademie der Wissenschaften tätig war, von seiner 25-jährigen Arbeit auf dem Vernagtferner in Tirol. Dieser Gletscher wird jedes Jahr von den achten Klassen des OHGs im Rahmen des NWT Unterrichts in einer mehrtägigen Exkursion bereist. Da folglich auch die Schüler eine besondere Bindung zu diesem Gletscher aufwiesen, waren Ihnen die Veränderungen durch den Klimawandel dort auch besonders gegenwärtig. Herr Brauns These, dass die Gletscher nur eine Spitze des Eisbergs seien, erstaunte viele Schüler, da sie schon dort die massiven Veränderungen sahen, welche Herr Braun zufolge nur einen kleinen Teil ausmachen sollten. In seinem Vortrag schilderte Herr Braun von der anfänglichen Pionierarbeit, den Gletscher zu vermessen und Karten anzulegen, bis hin zu seinen wissenschaftlichen Dokumentationen, während seiner jahrelangen Tätigkeit bei der bayrischen Akademie der Wissenschaften. Dabei legte er den Fokus besonders auf die Abflussmenge des Gletschers. Veränderungen des Gletschers und der von ihm transportierte Masse an Wasser lassen Rückschlüsse auf den Rückzug oder Vorstoß des Gletschers schließen. Die Gletscher sind ein kleiner sichtbarer Teil der Klimaveränderungen und ermöglichen daher, eine zuverlässige Vorhersage über größere Klimaveränderungen zu treffen. Mit einer Fotostrecke von 2000 bis 2018 zeigte Herr Braun eindrücklich, wie sich der Gletscher in den vergangenen 18 Jahren immer mehr zurückzog. Die Prognosen für die nächsten 30 Jahre zeigen auf, dass der Gletscher 2050 kaum noch vorhanden sein wird. In den letzten drei Jahren sind auch die anderen großen Auswirkungen des Klimawandels für ihn in den Vordergrund gerückt. So kam er zu dem Schluss, dass die Gletscher nur die Spitze des Eisbergs seien und unter der Wasseroberfläche noch viel schwerwiegendere Folgen erkennbar seien. Mit seiner Klimafeuerwehr fährt Herr Braun bereits seit drei Jahren zu Schulen, um von den Auswirkungen des Klimawandels zu berichten. „Vor allem bin ich mit diesem Bus ins Ötztal gefahren da ich dort ja auch gearbeitet habe. Mit den Schulen habe ich ausgemacht, dass ich zu bestimmten Zeiten vorbeikomme. Dann sind die Schüler zum Bus gekommen, haben einen Vortrag gehört und einen Blick auf einige meiner Fotografien geworfen.“ Zum Abschluss zitierte Herr Braun C.S.Lewis mit den Worten „Umkehr ist der schnellste Schritt voran“.

Nach einer kleinen Pause folgte der letzte Vortrag von Prof. Dr. Anke Jentsch, die an der Universität in Bayreuth forscht und lehrt. Frau Jentsch beschäftigt sich ebenfalls mit den Auswirklungen des Klimawandels und legt hierbei den Fokus auf dessen Auswirkungen auf die Flora. Dabei gab sie an, dass es wichtig sei, Verknüpfungen mit der Vergangenheit zu schließen, um Vorhersagen über die Zukunft treffen zu können. Der natürliche Anteil an den Veränderungen des Klimas, wie zum Beispiel der Milankowic-Zyklus, müssten neben den anthropogenen Anteilen ebenfalls beachtet werden. Um die Natur in der Zukunft entsprechend zu schützen, benötige es Erkenntnisse darüber, wie die Zukunft aussehen werde. Da die Klimaveränderungen neuartige Methoden voraussetzen, seien kreative Ideen gefragt. Um dem Ganzen im Kleinen zu begegnen, führen Frau Jentsch und ihr Team Experimente und Simulationen mit kleinen Probeflächen durch. Beispielsweise wurde der Boden eines Rasenstücks dauerhaft bewässert, sodass Überflutungen und Starkregen simulieren werden konnten. Ein anderer Boden wurde dagegen dauerhaft beheizt, um die Klimaerwärmung auf diesem Weg zu simulieren. Ein anderer Boden erlebte wiederum nie Regen oder Schnee, da er dauerhaft mit einer wasserdichten Plane überdeckt wurde. So wurden Trockenzeiten und Dürren exemplifiziert. Viele Universitäten haben sich bereits ganze Forschungswälder zugelegt, in denen sie extreme Wetterereignisse simulieren, um hierdurch die Reaktionen der Natur beobachten zu können. In den vergangenen Sommern war Frau Jentsch mit ihrem Team auch in den Alpen unterwegs und brachte dabei Wiesenstücke aus höheren in die tieferen Lagen. Hierauf wurden die Höhenunterschiede und die Veränderung des Klimas im Kleinen untersucht, da es in geringerer Höhe wärmer war als auf den Gipfeln der Alpen.

Für die Zukunft erachtet es Prof. Jentsch als besonders wichtig, den Schüler und Schülerinnen in der Schule nahezubringen, wie sie mit den aktuellen Entwicklungen umgehen und bewusster leben können. So wäre beispielsweise die Anschaffung von schuleigenen Duschen für Schüler eine sinnvolle Investition, da infolge dessen einige Schüler z.B. mit dem Fahrrad zur Schule kommen könnten und sich dann dort kurz duschen könnten. Des Weiteren wäre eine Möglichkeit, das "Fahrtenkonzept" zu verändern, um beispielsweise bei Abifahrten auf Flüge zu verzichten. „Schüler haben ganz viele Möglichkeiten. Es gibt auch Ausschreibungen, bei denen sie sich als Klasse bewerben können und gemeinsam mit betreuenden Lehrern ein Projekt bearbeiten können. Ich wünschte mir, dass sich noch mehr Schüler organisieren und an solchen Wettbewerben teilnehmen und die Themen im Unterricht behandeln. Durch diese neuen Ausschreibungen sollen die wichtigen neuen Themen, wie Klimawandel, Artenverlust, gesellschaftlicher Wandel, Toleranz positioniert werden“

Im Anschluss an die Vorträge hatten die Schüler  die Möglichkeit, Fragen zu stellen und mit den Referenten noch einmal persönlich ins Gespräch zu gehen. Der Klimawandel und dessen Auswirkungen begegnen den Schülern täglich, doch nun von Professoren und Doktoren zu hören, welche globalen Folgen dieser nach sich zieht und an welchen Forschungsprojekten derzeit gearbeitet wird, ließ die Schüler nachdenken, inwiefern auch sie die Bekämpfung des Klimawandels im Kleinen unterstützen können.

Nicole Wölfle (J2)